ERNST JANDL

Ernst Jandl und der Krieg

Jandl hat seine Jugend während des Krieges verbracht, und die Auseinandersetzung mit dem Krieg wird zu einem wesentlichen Bestandteil seiner Gedichte. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges weiß Jandl, dass ihm droht: zum Militär eingezogen zu werden und an der Front sein Leben zu verlieren. Jandl ist zu der Zeit vierzehn Jahre alt. Zwar bleiben ihm noch vier Jahre an der Schule, bis er Soldat werden muss, das Abitur rückt aber näher und spätestens nachdem er die letzte Prüfung bestanden hat, dreht sich alles nur noch um die simple und elementare Frage: wie überleben. Diese Sorge hinterlässt eine tiefe Spur in Jandls Werk. Das Thema Krieg taucht in allen Arbeitsphasen und Lebensabschnitten auf, und durch den Krieg wird er in literarischen Fragen zu der Radikalität geführt, die seine Literatur insgesamt auszeichnet. Er möchte sich auch in der Art, wie er schreibt, von der Kultur absetzen, die von den Nazis gefördert wurde und während des Krieges herrschte. Nicht nur mit den Nazis, auch mit deren Kultur, die von vielen, die vehemente Gegner der Nazis waren, in Teilen weitergeführt wird, will Jandl nichts zu tun haben.

Textauszug aus a komma punkt

Mehr dazu im Band Briefe aus dem Krieg.

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Gedichte

»Vor der Entscheidung«

Das große Tor ist zu.
In finstrer Ruh
Oed und verlassen
Liegen die Gassen
Oellaternentran
Träufelt zur Erde.
In mir fängt toben an
Wie Huftritt scheuer Pferde.
Zu ist das Tor.
Nun Mut empor!
Die Hand zuckt vor
Sinkt nieder
Greift die Klinke wieder.
Wild tost das Herz
Das Tor reisst auf
Ein zager Schritt
Ein schneller Tritt
Schneidender Schmerz
Die Hand krampft zitternd
Um die Schnalle:
Entscheidung falle!

3. März 1943      Ernst Jandl

»Kot verkrustet«

Kotverkrustet, ausgemergelt,
wankt in wundenmüdem Tritt
graues Haar durch graue Straßen
und ich wanke mit . . . . . .

Lippen, schmerzensmüd zerbissen
Haar zerrauft und stur der Blick,
lumpeneingehüllt, zerrissen -
stumm wanke ich mit . . . . . .

Weiter geht es. Endlos ewig
pulst der gleiche dumpfe Schritt
durch die Menschen aller Zeiten
Doch ich - geh nicht ewig mit.

Februar 1944      Ernst Jandl

Hörproben

»Zertretener Mann Blues«
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»Vater komm, erzähl vom Krieg«
00:00
»Schtzngrmm«
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