In den frühen fünfziger Jahren, sehr bald nachdem Jandl ernsthaft mit Schreiben begonnen hat, findet er zu seiner Lebens- (und Arbeits-)form. Dass er schreiben will, steht für ihn nicht zur Diskussion, auch nicht, dass er dazu einen Beruf benötigt. Woher sonst soll das Geld kommen? Welche Kräfte aber freigesetzt würden, wenn er tatsächlich mit dem Schreiben begonnen hätte, kann Jandl nicht wissen. In bürgerliche Lebensverhältnisse - Jandl wehrt sich nur anfangs dagegen - rutscht er während seines Studiums hinein. Er heiratet, doch seine Ehe, die er auch eingegangen ist, um Ordnung in seinem Leben zu schaffen, wird durch die Arbeit an Gedichten gefährdet. Das Schreiben trägt eine ihm bisher unbekannte Unruhe in sein Leben. Der Wunsch, mit einer Dichterin zusammenleben zu wollen, wird stärker, obwohl er sich in seiner Ehe mit einer Lehrerin durchaus in seinem Schreiben unterstützt fühlen kann. Er steht am Anfang seiner literarischen Biographie. In die Lebensgemeinschaft, die er dann mit Friederike Mayröcker eingeht, kann er von seiner geschätzten Ordnung nur wenig hinüberretten. Diese spannungsreiche Lebensform zweier Künstler, wie sie auf der Basis moderner Poesie unterschiedlicher nicht temperiert sein könnte, ist von einer einmaligen Dauerhaftigkeit. Ihr verdanken wir nicht nur einige schöne Liebesgedichte, sie bildet die Grundlage für Jandls Leben als Autor, also für sein Werk.
Bevor er aber in die Turbulenzen seines Lebens verwickelt wird, beginnt er entschlossen, seinen Weg als Autor zu gehen und wird zu seinem Glück von einer ersten Flut von Gedichten überrascht.
Textauszug aus a komma punkt
Ach, und ich dachte
wenn ich dich liebe
Könnte ich sein
Dürfte ich leben -
Narren denken so!
Schurken denken so!
1948 Ernst jandl
Wenn ein Hund verreckt auf der Straße,
So ein Hund, der nur ein Haufen Dreck ist,
Da kommen sie gelaufen:
Da will jeder etwas wissen
Da will jeder etwas besser wissen:
Was man hätte nun sollen.
Was man jetzt noch tun kann.
Was man tun soll mit den Leuten,
Die ihn hier verrecken lassen
Mitten auf der Straße, armes Tier.
Die überall sein müssen,
Die über dabei sein müssen,
Die überall mitreden müssen.
Da kommen die alten Weiber,
Die immer beten müssen,
Die immer Rosenkranz beten müssen,
Die immer Tränen drücken müssen,
Aus Zitronengesichtern.
Ganz langsam verreckt der Haufen Hund
Und der Rauch steigt blaß auf
Wie von warmem Mist
Auf gefrorenem Pflaster.
Wenn ein Mensch auf der Bank liegt,
Plattgedrückt, und der Kopf hängt über den Rand,
Und die Augen sind halb offen und schwarz
Von fliegen, und die Haut ist ihm zu groß,
Sein Gesicht hat keine Wangen, sein Rock
Eine Uniform, die keiner mehr anhat,
Nur einer auf der Band, der den Atem Lang anhält:
Wenn einer auf der Bank so
Den Atem lang anhält,
Kommen sie nicht gelaufen. Da will keiner etwas wissen,
Da will keiner etwas besser wissen:
Was man hätte tun sollen - aber was nützt das?
Was man jetzt noch - aber jetzt kann man nicht.
Was man tun soll mit den Leuten - aber wer sind die Leute?
Ernst Jandl
er: es sei
knapp nach acht erst (sie gähnt)
und sie scheine müde
sie: ein drang zu gähnen
doch kein zeichen
für müdigkeit
er: daß sie zeitlich
nie
koordination gefunden hätten
sie: wann denn nun
eigentlich seine
beste arbeitszeit sei
er: daß sie das
nach all den jahren
noch nicht wisse
sie: sie vermute ja
abends vielleicht
doch wenn er dann getrunken habe
er: er selbst
könne keine bestimmte
zeit angeben
sie: sie wolle ja
alles bloß
rücksichtsvoll tun
er: daß rücksicht
das bewußtsein davon
ein hindernis sei
sie: sie verstehe es
aber schließlich
lasse er ihr auch ihre zeit